Er ist der Größte in Italien, aber auch in Wien und Paris werden seine Werke gefeiert. Schon mit vierzehn Jahren komponiert Rossini in Bologna seine erste Oper, mit zwanzig schreibt er nicht weniger als fünf in einem Jahr. Der berühmte Barbier von Sevilla entsteht 1816, da ist er gerade mal 24 Jahre alt. Die Musikwelt im Rossini-Rausch, überall singt man seine Arien.
Doch 1830 wird es plötzlich ruhig um ihn, nach dem Wilhelm Tell von 1829 gibt es keine neuen Opern mehr von ihm. Der noch nicht einmal 40 Jahre alte Komponist bemerkt dazu: Was wollen Sie, ich hatte keine Kinder. Wenn ich welche gehabt hätte, hätte ich ohne Zweifel weitergearbeitet …nachdem ich mich 15 Jahre lang abgeplagt und während dieser Zeit 40 Opern geschrieben habe, empfand ich das Bedürfnis nach Ruhe…
Es folgen Jahre der körperlichen und seelischen Beschwernisse, die sich erst nach dem Umzug in eine Villa im Pariser Vorort Passy bessern, wo er einen regen Austausch mit Künstlern und Intellektuellen aus ganz Europa pflegt. Dort entsteht neben anderen Spätwerken mit 71 Jahren 1863 seine Petite Messe solennelle als Auftragskomposition zur Einweihung der Privatkapelle eines Pariser Adligen. Die räumlichen Verhältnisse des Ortes sind wahrscheinlich der Grund für die sparsame Besetzung: der Chor und die 4 Solisten werden nur vom Klavier und Harmonium begleitet – in unseren Aufführungen wird das noch beweglichere Akkordeon den Harmoniumpart übernehmen.
Daß Rossini seine immerhin etwa 85 Minuten lange feierliche Messe zur Kleinigkeit (petite) erklärt, hat weniger mit deren geringer Besetzung als vielmehr mit der Fähigkeit zur Selbstironie des Komponisten zu tun, jener Mischung aus Bescheidenheit, Koketterie und Spott. Dem Auftraggeber schreibt er: „12 Sänger von drei Geschlechtern – Männer, Frauen und Kastraten – seien genug für ihre Aufführung, d.h. acht für den Chor und vier für die Soli, insgesamt also 12 Cherubine.“ Kastraten waren damals allerdings schon verboten und insbesondere in Frankreich verpönt und geächtet, doch schätzt Rossini den unvergleichlichen Schmelz ihrer Stimmen.
Im Manuskript der Messe findet man neben den Schlußtakten des Agnus Dei folgende Sätze: Lieber Gott – voilà, nun ist diese arme kleine Messe beendet. Ist es wirklich heilige Musik (musique sacrée), die ich gemacht habe oder ist es vermaledeite Musik (sacrée musique)? Ich wurde für die Opera buffa geboren, das weißt Du wohl! Wenig Wissen, ein bißchen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies. An einer anderen Stelle heißt es: Das ist keine Kirchenmusik für euch Deutsche, meine heiligste Musik ist doch nur immer semi seria.
Zu weltlich, zu opernhaft, zu sinnlich und spielerisch für den geistlichen Stoff, zu leicht, zu angenehm, zu unterhaltend und damit dem Sujet der geistlichen Musik gleichsam Hohn spottend, das ist das Urteil, das neben der Messe schon dem 1842 vollendeten Stabat mater galt.
Dabei gibt es an der Ernsthaftigkeit seiner Musik keinen Zweifel trotz mancher skurrilen, ironischen und von Understatements durchzogenen Äußerungen des Komponisten: zwischen heiligster Musik und semi seria (halb ernst) besteht für Rossini kein Widerspruch. Seine Messe, die die Erwartungen an die Vertonung großer, ehrwürdiger Texte so oft unterläuft, changiert zwischen Rossinis „erster Natur“ als hoch gerühmter Komponist komischer Opern und einer tiefen Religiosität; zwischen Heiterkeit, feiner Ironie und religiösem Ernst.